Teil 2: Carcassonne und Montagne Noire
So gut es uns auch in den Cevennen gefallen hat, brechen wir auf Richtung Süd-West nach Carcassonne.
Carcassonne!
Als Kind besaß ich ein Länder-Quartett. Von den vielen Motiven dieses Spiels sind mir bis heute drei in Erinnerung geblieben:
Mont-Saint-Michel, weil ich, als 10-Jährige bis dato kaum über oberfränkische Grenzen hinausgekommen, fasziniert war von der Existenz der Gezeiten, die mir meine Mutter bei der Gelegenheit erklärte.
Kruger Nationalpark, weil ich mir immer dachte, was muss das für ein Mensch sein, dass ein ganzer Park mit exotischen Tieren nach ihm benannt wurde
und
Carcassonne
Auf der entsprechenden Karte des Quartetts war die Burganlage offensichtlich am späten Nachmittag fotografiert worden, sodass eine rotbraune Farbgebung die unglaubliche Erhabenheit dieses Bauwerks noch unterstrich. Dazu der fremde Klang und die fremde Schreibweise des Ortsnamens: C a r c a s s o n n e - unerreichbar für eine kleine Oberfränkin!
Es war meine absolute Lieblingskarte.
All das fällt mir Stück für Stück wieder ein, als wir uns entschließen, in der Nähe Carcassonnes unser nächstes Lager aufzuschlagen.
Wir campen etwas außerhalb, und als wir bei der Anfahrt die Stadt streifen, ist mir leider nur ein kleiner Blick auf die Burganlage gegönnt.
Tour 1: Carcassonne
Am nächsten Tag satteln wir die Wespen und geraten erst einmal in einen dichten Stau. Nichts geht mehr. Und plötzlich die fast biblische Erfahrung des geteilten Meeres: alle, ich wiederhole, alle Autofahrer bewegen ihr Fahrzeug zur Seite, sodass wir problemlos durchfahren können. Italienisches Feeling!
Wir umrunden die Stadt, fahren über eine Brücke und:
Gänsehaut! 52 Türme, 3 Kilometer Mauerwerk – Europas besterhaltene Festungsstadt des Mittelalters.
Dass einiges erst im 19. Jahrhundert hinzugefügt wurde, tut der Romantik keinen Abbruch. Vor allem, wenn man bedenkt, dass die Alternative ein Abriss gewesen wäre!
Zum Glück finden wir direkt vor dem Eingang einen Parkplatz und machen uns auf den Weg.
Nach wenigen Metern zerbricht eine Kindheitsfantasie: Meine erhabene Festung ist zur Shopping-Meile mutiert.
Seifen, kandierte Früchte, Nougat, Mittelalterartikel und diverse Möglichkeiten für die Nahrungsaufnahme reihen sich in einem bunten Mix aneinander und holen mich sehr unsanft ins 21. Jahrhundert zurück.
Dennoch erahnen wir an einigen Stellen die sogenannte „Burgenromantik“:
Und auch außerhalb der Hauptgassen zeigt die Burg immer noch ihre Schönheit:
Was mögen die Wasserspeier an der Cathedrale St-Nazaire über die Jahrhunderte wohl alles erlebt haben?
Im Inneren der Kirche übt ein Organist gerade Bach
und ich reflektiere über die Bedeutung von Täuschung und Ent-Täuschung.
Fortsetzung folgt ...