Ruckeln Vorderradbremse

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Happy
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Ruckeln Vorderradbremse

#1 Beitrag von Happy » Mo 22. Apr 2019, 20:56

Hallo Vespafreunde,
habe seit einem Jahr einen Riesigen Spaß mit ET4/M04,
jedoch fängt sie nun an zu ruckeln, vibrieren, wenn ich bremse.
TÜV vor 1 Jahr alles i.O.
Bremsscheibe vielleicht?
Oder die 20Jahre alte Bremszange?
Lenkkopflager scheint i.O. Zu sein.

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Vielleicht habt ihr wiedermal einen hilfreichen Tip für mich Anfänger.
Macht´s gut
Happy

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schmoelzer
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Re: Ruckeln Vorderradbremse

#2 Beitrag von schmoelzer » Mo 22. Apr 2019, 21:45

Neue Beläge, Bremssattel zerlegen, alles reinigen, entlüften.

Schlimmstenfalls sind deine Bremszylinder ausgelutscht, dann wirst Du um einen Bremssattel nicht drumrum kommen.

Grüße

Martin

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mikesch
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Re: Ruckeln Vorderradbremse

#3 Beitrag von mikesch » Mo 22. Apr 2019, 21:56

Auf dem Foto kann ich den Verschleiß der Scheibe nicht gut beurteilen.
Wenn du eine deutliche Kante fühlen kannst tausche die Scheibe und die Beläge aus.
Bestelle die fünf Spezialschrauben dazu mit.
Der Bremssattel hat mit dem Bremsenrubbeln nichts zu tun.

Eine häufige Teilursache ist ein zu locker eingestelltes oder bereits defektes Steuerlager.
Am besten ist du wechselst das untere und obere Lager nach 20 Jahren aus.
Das untere ist sicher trocken und rostig.
Du kannst den Scheibentausch und den Lagerwechsel in einem Arbeitsgang machen.
Dazu löst du die Tachowelle oben am Tacho und nimmt die Bremsleitung oben an der Bremspumpe ab.

Achtung Bremsflüssigkeit tritt aus. Lappen benutzen zum auffangen.
Nun nimmst du den Lenker ab dazu wird der Bolzen oben entfernt.
Lenkerposition vorher mit Körnerpunkten makieren.
Den Lenker klappst du mit allen Amarturen Richtung Sitz. Gut abpolstern.
Nochmals nachschauen ob die Tachowelle und die Bremsleitung bis unten frei ist, Kabelbinder und Schelle entfernen.
Natürlich ist das Handschufach ausgebaut.
Nun die Nutmuttern oben am Steuerlager komplett entfernen.

Nun hebst du den vorderen Bereich des Rollers auf eine Mineralwasserkiste oder ähnlich.
Das geht tatsächlich allein.
Nun fällt das komplette Steuerrohr mit Rad nach unten.
Nun greifst du mit der einen Hand das Steuerrohr und hebst den Roller noch einmal 5-10cm an und entnimmst das Steuerrohr.
Den Roller sicher auf der Kiste platzieren.

Nun kannst du die alten Lagerschalen mit einer Gewindestange mit kleiner montierten Scheibe aus dem Baumarkt jeweils von der gegen überliegen Seite austreiben.

Jetzt die Bremsscheibe und Beläge bequem am Werktisch tauschen.

Die Bremsscheibenschrauben sitzen bombenfest.
Pass auf gib und gib gut Druck, die Köpfe sind schnell vernudelt.
Gutes scharfes Werkzeug benutzen. (Inbus)
Ist es passiert hilft der Handschlagschrauber und der Propanbrenner oder Heißluftfön.
Die neue Scheibe muß absolut plan an der Radnabe aufsitzen.
Schon sauber machen sonst eiert die neue Scheibe.

Neue Lagerschale Steuerlager unten lose im Ramenrohr aufsetzen.
Unterer Staubschutz, Lagerschale und gefettetes Lager aufs Steuerrohr aufsetzen und Steuerrohr wieder einsetzen.
Obere Lagerschale oben lose aufsetzen gefettetes oberes Lager noch nicht einsetzen und Nutmutter/Lagerschale oben ansetzen und festschrauben.
Ich besitze neuerdings diesen Vierfachnutschlüssel es geht aber auch mit einem guten Hakenschlüssel.
Die 20 Euro haben sich gelohnt wie ich finde. Sehr stabile Qualität.

Nun die Nutmutter richtig festziehen, dabei werden die untere und obere Lagerschalen in das Rahmenrohr automatisch eingezogen.
Nochmal lösen und das obere gefettete Lager einsetzen.
Wieder festziehen aber nicht so stark wie vorher da die Lagerschalen schon sitzen.
Im festgezogenen (40Nm) Zustand nicht das Steuerrohr bewegen da sonst die Kugelkäfige beschädigt werden.
Nutmutter ca. 90° zurückdrehen und Zwischenscheibe und Kontermutter aufsetzen und kontern.
Lenker aufsetzen und Mutter mit 50Nm befestigen.
Bremsleitung und Tachowelle anschrauben.
Hohlschraube an der Bremsleitung max. 12-12 Nm. (achtung Alu)
Bremsflüssigkeit bei der Gelegenheit wechseln und Bremse entlüften.
Alles wieder zusammenbauen und Probefahrt.
Das Steuerlager darf beim bremsen oder überfahren einer Bordsteinkante keinerlei Geräusche machen, sonst ist es noch zu locker eingestellt.
Mehrfach nachstellen ist normal.
Du wirst festellen das das Bremsenrubbeln der Vergangenheit angehört.
Der Geradeauslauf und die Kurvenspurtreue haben sich merklich durch den Tausch der Steuerlager verbessert.

Zeit: 4-5 Stunden.

Woher ich die detaillierte Beschreibung kenne kannst du dir sicher vorstellen, oder?
Habe gerade alles an meiner ET4 gemacht da meine die gleichen Beschwerden hatte.
Heute ausgedehnte Probefahrt gemacht. Bin total begeistert vom neuen Fahrgefühl.

Ich kann leider nichts daran ändern das dich die Beschreibung erschlägt, das muß so.
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Re: Ruckeln Vorderradbremse

#4 Beitrag von Happy » Mo 22. Apr 2019, 23:08

Hey Martin u. Mikesch,
vorab vielen Dank für euere fachmännischen Fakten.
Werde Bremsscheibe und Lagerschalen sowie Beläge bestellen.
Kostet zwar einiges aber ich denke da würde ich am falschen Ort sparen.
Sollte ich bei dem Aufwand gleich eine Stahlflexleitung montieren, oder lieber bei der
Originalen bleiben.
Vermutlich gehört diese nach 20Jahren auch mal ausgetauscht.
Was meint ihr?

Nochmals vielen Dank
Martin

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mikesch
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Re: Ruckeln Vorderradbremse

#5 Beitrag von mikesch » Di 23. Apr 2019, 02:29

Die alte Gummibremsleitung unbedingt tauschen.
Sie ist rissig und kann platzen.
Das ist hier einem Kollegen aus dem Forum schon an einer ET4 passiert.

Ich habe die Stahlflexleitung von Spiegler verbaut.
Gibts in mehreren Farben bei SIP zu 85 €uros.
Das beiliegende Gutachten muß noch gegen 30€ eingetragen werden beim TÜV.
Man gönnt sich ja sonst nichts.
Vielleich findest du auch was preiswerteres.

Weißt du Martin, mein Roller hat schon ein mehrfaches des damaligen Kaufpreises als gebrauchter Roller an Verschleißteilen verschlungen.
Wenn ich noch an den Austausch und Lackierung der Lenker und Seitenverkleidung denke wird mir ganz anders.
Die Teile waren bei mir komplett weggebröselt, alles klapperte schon.

Wenn das Steuerrohr ausgebaut ist, macht die sonst verhasste Fummelarbeit Bremsleitung und Tachowelle tauschen richtig Spaß.
Tausche gleich beides. Die Tachowelle vor dem Einbau satt mit Molykotefett behandeln.
Im unteren Bereich die Welle mit mehreren Lagen PVC Isolierband abwickeln als mech. Schutz.
Du weißt ja warum die Wellen sonst so früh sterben.
Denk aus eigenem Interesse an die geschützte Durchführung der Ltg. und Welle unten in der Kotflügelöffnung.
Benutze eine neue Gummidurchführung falls die alte wegbröselt wie bei mir.
Hier gehts um Sicherheit, Pfusch verboten.
Die Gummidurchführungen bekommst du auch in der Autowerkstatt um die Ecke.
Zur Not bastel dir etwas, Hauptsache es ist ein guter Dauerschutz gewährleistet. Bitte kein PVC Band, das scheuert durch.
Einige Lagen Fahrradschlauch fixiert mit kleinen Kabelbindern hält auch ganz gut sag ich da nur.
Der TÜV leuchtet da rein bei der Abnahme.

Die Tachonadel muß absolut ruhig die Geschwindigkeit anzeigen. Wenn sie zittert schreit sie nach Schmierung.
Wenn du die Nabe ab hast fülle etwas Universalfett zwischen die Radlager als Depot nach und tausche gleich die Tachoschnecke.
Übrigens habe ich mir sicherheitshalber vorher schon den Überholsatz für die Bremszange bestellt. (22,50€)
Er enthält zwei neue Bremskolben und die Dichtmanschetten. Kommt morgen.
Meine ET hat jetzt 55900 drauf, da muß man was machen finde ich.

Kauf dir eine gute Bremslüssigkeitsauffangflasche mit Ventil.
Sie fasst einen Liter und endlich habe ich ein sicheres Gefäß zur Lagerung der alten Flüssigkeit.
Sie kommt mit einem stabilen und dichten Nippel. Da zieht endlich keine Luft mehr rein.
Die stabile Kunstoffflasche ist mit Haken und Kette ausgestattet zum aufhängen auch für PKW geeignet.
Kostet gute 20 Euro. Was hab ich mich früher zu zweit abgequält mit den Behelfslösungen.
Auch ich habe da vorher an falscher Stelle gespart.
Na ja, da war ich noch 15 Jahre jünger und kein bischen weise.
Die Entlüftung geht so in Routine über und dauert nur wenige Minuten und du brauchst keinen Helfer mehr.

Die neue Stahlflex hat einen viel knackigeren Bremsdruck.
Das puddingartige drücken des Hebels ist vorbei weil die Dehnung des Schlauchs fast Null ist.
Übrigens die Rückholfedern in den Bremshebeln brechen gern, steht bei mir am linken Hebel noch an.
Den Zug habe ich vor drei Jahren schon neu gemacht. Die Hülle war unten am Motor beschädigt.
Du weist ja, sicherheitsrelevante Bauteile sind beim kleinsten Verdacht auszutauschen.
Ich wünsche dir viel Erfolg und stehe dir während des Eingriffs bei falls du nicht weiter kommst oder Fragen hast. :D
Der Mensch hat dreierlei Wege klug zu handeln: durch Nachdenken ist der edelste, durch Nachahmen der einfachste, durch Vespa fahren der sinnigste.

hacki
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Re: Ruckeln Vorderradbremse

#6 Beitrag von hacki » Di 23. Apr 2019, 07:59

Vergiß nicht direkt dann auch den Motor nebst komplettem Fahrwerk zu überholen, ev Sitzbank tauschen - ( Reifen machste ja eh gleich mit ...) :!:

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mikesch
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Re: Ruckeln Vorderradbremse

#7 Beitrag von mikesch » Di 23. Apr 2019, 08:11

Hacki nicht lachen, habe ich schon gemacht aber nicht alles auf einmal.
Falls es dich interessiert ja auch die Kabelbäume wurden saniert mit gutem Baumwollklebeband.
Jetzt habe ich nichts mehr zu tun.
Nur noch fahren ist angesagt, stört mich aber nicht wirklich.
Habe mal im professionellen elektromechanischen Service gearbeitet, daher meine Sichtweise.
Zum Glück muß meine arbeits und denkweise keiner übernehmen allerdings kann sie zur Orientierung genutzt werden.
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Re: Ruckeln Vorderradbremse

#8 Beitrag von Happy » Di 23. Apr 2019, 12:17

Vielen Dank Mikesch für deine hilfreichen u. ausführlichen Beiträge.
Ohne diese hätte ich die ET4 niemals in Ordnung bringen können.
Werde mich melden wenn ich nicht mehr weiter weiß.

Grüße Happy

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