Meine 50000er Revision

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mikesch
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Meine 50000er Revision

#1 Beitrag von mikesch » Di 31. Jul 2018, 13:17

Eins vorweg, bei der Motorrevision meiner ET4 M04 wurden folgente Teile ausgewechselt:

Zylinder, Kolben
E/A Ventil inkl. Ventilschaftdichtung
Nockenwelle
Nockenwellenlager 2 Stk.
Steuerkette Nockenwelle
Zahnrad Ventilsteuerung 2 Stk.
Ölpumpenzahnrad 2Stk.
Ölpumpenkette
Ölkühler
Ankerplatte

Kurbelwelle kommt später, da im Moment nicht lieferbar.

Ich möchte die Besonderheiten die mir während der Revision aufgefallen sind ein wenig erklären.

Zylinderkopf
Da ich eine Ölundichtigkeit am Zylinderkopf vermutete, habe ich den Kopf auf einer Glasplatte mit 240er und 600er Nassschleifpapier geplant.
Leider habe ich das befeuchten beim 600er vergessen. Sofort Riefen, alles noch mal von vorn.

Ventile
Zum austauschen der Ventile brauchst du einen Ventilfederspanner für 39,95€ sonst fliegen dir die Federn um die Ohren und du bekommst die winzigen Sperrkeile nicht mehr rein.
Die Führungen wiesen kaum Verschleiß auf. Die Dichtflächen sogar des thermisch hochbelasteten Auslassventils waren erstaunlich gut erhalten.
Die Ventile wurden nur wegen der starken Schaftdellen getauscht.
Für den Austausch der Schaftdichtung ist kein Spezialwerkzeug erforderlich wie mehrfach von Herstellern behauptet.
Sie kann mit einem kleinen Uhrmacherschraubendreher entfernt und mit der Hand wieder eingesetzt werden.
Genauso Kolbenbolzenaus/eintreiber. Ich könnte mich schlapp lachen.
Das einschleifen mit der Paste aus GB und dem Ventilsauger von Hazet war einfacher als ich dachte.
Die Dichtigkeitsprüfung mit Bremsenreiniger verlief positiv.

Kolbenringe
Die Kolbenringe kamen 5-teilig. Der Ölabstreifring war dreiteilig und mußte erst noch zusammengebaut werden. Untering, Spirale, Oberring. In dem Fall war es keine Spirale sondern ein Zickzackblech welches wegen der Länge überlappt.
Folglich ist die Position der Öffnung oder Überlappung bei dem Ölabstreifgebilde egal.
Und dieses wacklige Gebilde dann in die Kolbennut. Haleluja.
Die Kolbenringspannvorrichtung aus Taiwan (Pistontool, easy assembly) hat sich nicht bewährt. Bist du verstanden hast wie die genau funtionieren soll ohne Anleitung ist deine Ruhig-bleiben-Toleranz erschpöpft.
Folglich alles schön manuell eingefädelt wie früher.
Viel Öl verwenden. Es muss alles richtig triefen, das ist gut für die Haut.
Schön an die 120° Versatz der beiden anderen Ringe denken.
In weniger als 10 Minuten war der Zylinder unten.
Denkt bitte daran die beiden Führunszapfen wieder einzusetzen bevor ihr den Kopf aufsetzt, sie sind wichtig für die richtige position der Kopfdichtung.
Nur so ist der richtige Querschnitt der Ölkanäle gewährleistet und der Kopf kann nicht wandern gehen!

Tank
Der Tank wurde ausgebaut und gereinigt. Bei der Inspektion des Tankgebers wurde festgestellt das sich ca. 3-4ml dunkle Flüssigkeit im Schwimmer befand.
Offensichtlich war, das der Kraftstoff in ca. 21 Jahren irgenwie hineindiffundiert ist. Eine Undichtigkeit hätte auch zum absaufen des Schwimmers geführt.
Mittels einer Einwegspritze mit feiner Kanüle wurde der Schwimmer punktiert und die winzige Öffnung mittels Lötkolben verschweißt. Ist dicht!
Achtung, man sollte sich die Einbauposition des Gebers genau mittels Filzstift vorher makieren.
Meinen Tank konnte ich noch einmal ausbauen nach dem ich das erste mal vollgetankt hatte und die Anzeige nur halb anzeigte.
Der Geber war um 120 Grad versetzt eingebaut und konnte nicht komplett nach oben steigen wegen der verwinkelten Form des Tanks.

Vergaser
Beim reinigen des Vergasers ist mir die winzige 2,5mm Scheibe an der Leerlaufgemischschraube abhanden gekommen.
Sie hat sich bis zum heutigen Zeitpunkt in Luft oder einen anderen Agregatzustand aufgelöst.
Jetzt weiß ich wie man sich auf einer Bohrmaschine und mit einer Schlüsselfeile mal eben neue Scheiben drehen kann.
Eingebaut passt, läuft und ich habe noch 2 Ersatzscheibchen.

Kennzeichenbeleuchtung
Die Kennzeichenbeleuchtung war ausgefallen. Nach dem ich den gesamten Kennzeichenhalter demontiert hatte sah ich das mein Vorgänger die Lampenfassung schon mit Silikon und Schrumpfschlauch fixiert hatte.
Ich ahnte nichts gutes.
Die Fassung war vollig verrottet und zerbröselte in meinen Händen.
Eine 12V/5W hatte ich noch. Drähte angelötet, sauber abgeschrumpft erstmal und mit etwas Coroplast eingelassen. Leuchtet, hält bis auf weiteres.

Getriebe
Durch den vorderen Getriebewellendichtring suppte Öl in den Variokasten/Kupplung/Wandler.
Leute merkt euch wie weit der eingetrieben war. Keinesfalls bis zum Anschlag!
Ich konnte alles noch mal aufmachen. Neuen Dichtring verbaut. In der Regel nur soweit eintreiben bis die Ringkante mit dem Gehäuse plan ist. Ist wieder dicht.

Silentgummis
Die Silentgummis an der Motorschwinge hatten sich bis fast auf die Hülsen aufgelöst.
Zum einziehen Spülmittel als Gleitmittel nehmen.
Geht dann ganz einfach und hält Bombe.
Völlig neues Fahrgefühl ist das Ergebnis.
Der Roller läuft wie auf Schienen. Besser kann ich es nicht beschreiben.
Endlich ist das kippeln in Kurven und der Seitenversatz wenn du über Schienen fährst völlig verschwunden.

Alle Dichtflächen, Gehäusehälften, Ölwanne und Getriebedeckel wurden mit UHU Flüssigdichtung grün geklebt. Ganz gut das Zeug.
Härtet erst aus wenn Berührung Metall auf Metall erfolgt. Also keine Panik beim verarbeiten. Trocknet nicht einfach so an der Luft aus.
Schwitz..

Leute und vergesst nie den Ansaugschnorchel, der oben vom Sitz kommt auf den Luftfilter zu stecken.
Der Motor leidet sonst unter akutem Spritmangel.
Kein Durchzug, schlappe Beschleunigung und ruckeln bei Vollgas ist die Folge.
Zwei Stunden den Fehler gesucht. Zum Glück nicht den Vergaser zerlegt.
Schnorchel aufgesteckt, Kabelbinder drum, Fehler weg. Erstaunlich, erstaunlich...

Mittlerweile schon ca. 8 Betriebstunden. Ergebnis ist ein seidenweicher Motorlauf. Gute Beschleunigungsleistung und absolut konstante Leelaufdrehzahl.

In den ersten zwei Betriebsstunden verminderte Leistung und Vmax bei 80 scheint normal zu sein habe ich festgestellt.
Springt sehr gut an, auch mit Kicker.
Rita, dein Ölkühler ist dicht. Zum ersten mal ein absolut trockener Motor. Wer weiß wie lange. :?

Was das alles gekostet hat? Leute das ist ein Hobby und sollte finanziell nicht überbewertet werden.
Jedenfalls habe ich alle Rechnungen vorsorglich entsorgt weil die Freude überwiegen soll. :D
Zuletzt geändert von mikesch am Mi 1. Aug 2018, 10:11, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Meine 50000er Revision

#2 Beitrag von ET Oldie » Mi 1. Aug 2018, 07:40

mikesch, tolle Arbeit! Danke auch die Berichterstattung, das war eine ziemliche Aktion.

Hast du die Kompression / Verdichtung nachher gemessen? Kolbenringe sind mir ein Graus und das letztenmal ohne Hilfsmittel war auch das allerletzte mal, nie wieder ohne.

War bei dir viel Dreck hinter der Tank? Mein ET habe ich am W-E endlich säubern können, eine ziemliche hartnäckigen Dreckschicht müßte entfernt werden, die Birne war auch hinüber, und doch etwas Rost entdeckt! Alles bereinigt.

Viel Spaß beim einfahren. Du kannst Stolz sein, Prima!

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Re: Meine 50000er Revision

#3 Beitrag von mikesch » Mi 1. Aug 2018, 08:11

Nein, keine Kompression gemessen, da kein Messer vorhanden. Der Motor wurde nur pauschal zerlegt wegen der erreichten 50.000km.
Was mich gestört hat war der Ölverlust der letzten Jahre, welcher immer stärker wurde.
Er war begründet in einem undichten Ölkühler.
Da mußt du auch erst mal drauf kommen.
Das Öl wurde durch den Lüfter auf dem ganzen Zylinder verteilt und die Leckstelle war dadurch nicht wirklich ortbar.
Erst durch das abdrücken des Kühlers mit 10 Bar Pressluft unter Wasser wurde der Fehler sichtbar.
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Re: Meine 50000er Revision

#4 Beitrag von ET Oldie » Mi 1. Aug 2018, 08:50

Gut gemacht. Mein ET4 alt hat auch mal getröpfelt und sorgte für viel Schmutz. Da wirst du viele Jahre an dein ET4 haben.

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Re: Meine 50000er Revision

#5 Beitrag von tømrerhans » Mi 1. Aug 2018, 09:08

Super Dokumentation :genau: , kommt in meine Unterlagen.
Hoffe, dass sich meine Schrauberfähigkeiten bis zur 50tausender entsprechend entwickeln.
Stehe jetzt bei 13000 bei der M04. Alles super, aber die Gummis der Aufhängung könnten wohl demnächst mal getauscht werden.
Fühlt sich manchmal etwas schwammig an hinten.
(Komme nochmal darauf zurück, wenn ich keine Bezugsquelle finde.)


1. Frage:
Materialalterung der Gummis nach 20 Jahren ist wohl auch eine Ursache, trotz relativ weniger Kilometer?

2. Frage:
Wie verarbeitest du das beschriebene Dichtmittel?
Gibst du das auf die Dichtungen (wenn ja, auf alle 4 Montageflächen?)
oder benutzt du es anstelle der vorgesehenen Dichtungen?
oder nur dort, wo eigentlich keine Dchtungen vorgesehen sind?

Grüße, Hans
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Re: Meine 50000er Revision

#6 Beitrag von mikesch » Mi 1. Aug 2018, 09:56

Zu 1. Meiner Meinung wird das Gummi nur durch die Fahrleistung verschlissen. Die Alterung des Gummis ist eher gering. Schaue einfach mal nach, das siehst du sofort wie die Puffer sind.

Zu 2. Es ist eine Flussigflächendichtung ähnlich dem bekannten Curil von Elring. Oder Loctite von Henkel. In dem Bereich gibt es keine Papierdichtungem.

Diese Flächendichtung habe ich genommen: klick
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Re: Meine 50000er Revision

#7 Beitrag von avanti » Mi 1. Aug 2018, 10:07

Tolle Doku, die Fotos dazu kommen sicher noch. ;)

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Re: Meine 50000er Revision

#8 Beitrag von derLimburger » Mi 1. Aug 2018, 11:14

mikesch hat geschrieben: Jedenfalls habe ich alle Rechnungen vorsorglich entsorgt weil die Freude überwiegen soll. :D

:lol:


:klatschen:
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Re: Meine 50000er Revision

#9 Beitrag von ET Oldie » Mi 1. Aug 2018, 19:37

Ich hätte auch näheren Interesse an diesen Silentgummis. Besonders der Ausbau.

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Re: Meine 50000er Revision

#10 Beitrag von mikesch » Mi 1. Aug 2018, 21:03

Bei Youtube gibts ein Video zum Thema Silentgummi tauschen <klick>
So ähnlich bin ich auch vorgegangen.
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Re: Meine 50000er Revision

#11 Beitrag von mikesch » Sa 4. Aug 2018, 11:47

Auf vielfachen Wunsch anbei noch ein paar minderwertige Eindrücke meiner Arbeit. Samsung S3 amateurhaft bedient.

Bild

Ich habe meinen Roller mal richtig gewaschen, besonders unten herum.




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Glaubt ihr nicht? Bitte sehr.




Bild

Hier auf dem Rolltisch liegt mein Motor in seiner ganzen Pracht




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Mein Arbeitsplatz




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Hier das Getriebe.




Bild

Ein paar Anbauteile falsch belichtet.




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Blick in meinen beleuchteten Vorratsschrank. (Lichtschrankensteuerung)




Bild

Nach der Arbeit.




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Die Glasplatte auf der der Kopf geplant wurde. Die lasse ich da liegen, sieht besser aus.
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